Sonntag, 20. Januar 2008

17. Wasser, Gas und Muttern

Ich wünsche, wenn auch spät, allen TSSP-BLOG-Lesern ein gutes und von Gesundheit geprägtes 2008!
(das hatte ich bei Nr. 16 vergessen, schieben Sie es bitte auf mein Alter, wie immer!)

Moment mal, das habe ich doch gerade eben schon mal geschrieben?
Doch, doch, so, oder zumindest so ähnlich, nur mit einer anderen Zahl am Ende.
Sollte ich etwa . . . ? Nein, doch nicht schon wieder? Ein ganzes komplettes Jahr einfach so?
Erstaunlich, dass die Merkresistenz bei mir so untadelig funktioniert. Wenn ich das mal von all meinen anderen Bestandteilen so sagen könnte. Kann ich aber nicht. Das Fleisch ist wellig und der Geist nur in bestimmten Momenten wach.
Jetzt ist so ein Moment, na dann will ich mal . . .


S. aus H., übrigens immer noch in N. wohnhaft, sah sich unverhohlen mit der Tatsache konfrontiert, dass, wenn in 576 die Pflanzenwelt ihr grünes Unwesen unkontrolliert wuchernd treiben sollte, eine zusätzliche Gaszugabe unerlässlich sei.

Zwei Buchstaben und eine Zahl standen da wie unverrückbare Monolithen der Aquaristik urplötzlich im allzeit feuchten Raum:

C O 2


Da gab es jetzt kein "sich rauswinden" und keine noch so triftige Ausrede, die als Argument dagegen hätte zählen können.
Eine große Kiste mit viel Licht und reichlich Salat intus, da kommt man an so etwas einfach nicht lange vorbei. Und das sagte ihm nicht etwa die jahrelange Erfahrung, die er ja schließlich nicht besaß, nein, keine Spur. Das war eher so ein "Modus vivendi" in der Aquaristik.
Wenn das Thema "Pflanzen unter Wasser und ihr Wuchs und ihre Pracht" auf das internetliche Diskussion-Schafott kam, war der zweite Delinquent
sofort Kohlendioxid. Das musste, durfte, konnte gar nicht anders.
Und als fahnentreuer Technokrat machte S. aus H. da keine Ausnahme.

Sicher, es gab einige Zeitgenossen, die schworen der Technik und ihrer Geißel einfach ab, überließen jahrelang gehütete Becken eben mal so sich selbst und nahmen die Patienten von den lebenserhaltenden Maßnahmen.
Das mochte wohl unter gewissen Gegebenheiten funktionieren, aber nicht so hier, an diesem Hort der internationalen Glückseligkeit, sprich im 576er.

Getreu seiner eigenen Devise "big, bigger, gentle but giant!" wurde die gas-spendende Begehrlichkeit im WWW sondiert, eingekreist und die entsprechende Preisinformation angefragt.
"Ach ja, na sieh mal einer an, doch so viel?"

Okay, also "viel" war da vielleicht das falsche Adjektiv, gemessen an dem, was bereits an Geld in Wasser verwandelt wurde.
Aber zum Ausklang eines Jahres mit 2 x Geburtstag "Kinder" und der Benefiz-Veranstaltung "Weihnachten" und obendrein noch den verpflichtenden Geburtstagen der Eltern von B. aus W, natürlich ebenfalls in N. (nicht die Eltern, nur B.!) lebend, das zehrte dann doch derart an der monetären Substanz, dass ein kurzentschlossener Spontankauf einem glatten "sich ins Schwert stürzen" glich.

Gutes Gas war da teuer!
Und irgendwie immer noch weit, weit weg.
Das Bild einer aqua-medizinischen Apparatur, flüchtig besehen möglicherweise auch aus einem Krankenhaus oder einem Bierkeller stammend, aus Stahl, Messinstrumenten und Plastikschläuchen bestehend, verschwand als winziger kleiner Punkt am Horizont der Erreichbarkeit.
Aussichtslos.

Die Mutter von B. brachte schließlich das an Erhabenheit einfache Moment der Lösung, da sich die alljährlich wiederkehrende Frage nach dem WAS stellte.
Also aus ihrer Sicht gesehen: "Was schenke ich bloß den Kindern?"

Treffer!

Nein, nicht das mit den Kindern (obwohl für über Vierzigjährige durchaus schmeichelhaft), "schenken" war das Wort und der Schlüssel zur Glückseligkeit.
S. aus H. nahm all seine Fantasie zusammen, kompromittierte die missliche Situation der Mutter und machte "für die Kinder" eine Perspektive draus.
"Schatz? Also wenn Deine Mutter fragen sollte, was wir uns zu Weihnachten wünschen, dann muss die Antwort unisono sein: 'CO2-ANLAGE!'...wieder und immer wieder!"

Es galt hier also nicht, nur so einen Wunschzettel auszufüllen und den dann als simple Botschaft "Wir wünschen uns...!" an die Frau Mutter zu übergeben.

Neeeeeiiiiiinnnnn!
Da musste Intrige her, die Psychologie in´s Spiel gebracht und eine äußerst wirksame Taktik minutiös ausgeklügelt werden. Die Strategie war einfach, aber genial.
Bei jeder passenden und (vor allem) unpassenden Gelegenheit
sollte das hypnotische Stereotyp "CO2-ANLAGE" lauten. Die massiv anhaltende Penetranz war ein bewährt probates Mittel, das ja in der Werbung wirklich sensationelle Erfolge gefeiert hatte, S. aus H. sah sich als bestes Beispiel dafür.

Die Verfahrensweise wurde eingeübt und die praktische Erprobung kam postwendend.
Das führte allerdings
dann zu verwirrenden Momenten, wenn z.B. als Begrüßung die Mutter sich am Telefon nach dem allgemeinen Befinden erkundigt.
Dann ist ein
"CO2-ANLAGE"
als Teil einer Unterhaltung sicher als kontraproduktiv zu verstehen und lässt berechtigte Zweifel am Geisteszustandes der Stimme am anderen Ende der Leitung zu.

Auch bei einem lapidaren "Sag mal, was sagt denn eigentlich dein Bruder dazu?" ist
"CO2-Anlage"
ebenfalls nicht die Antwort, die ein Gespräch substantiell wirklich vorantreibt.

Auch bei persönlichen Aufeinander-Treffen (die Geburtstage der Kinder, Sie erinnern sich?) trieb die Konversation seltsame Blüten.

Als B.´s Mutter unverbindlich und nichtsahnend fragte, wie B. denn diesen leckeren Kuchen hinbekommen hatte, war das heimtückische
"CO2-Anlage"
bereits wieder äußerst dienlich zur Stelle.

Bei allen folgenden Telefongesprächen mit dem Elternhaus von B. in W.(!) wurde stets
peinlich darauf geachtet, dass die Parole immer einen eleganten Eingang in die Dramaturgie fand, hier durfte natürlich keine Gelegenheit ausgelassen werden, wurde sie dann auch nicht.

Eigentlich hatte S. aus H. Langzeitschäden an der Gemütsverfassung der Mutter von B. befürchtet, die durch diese Hypnose Gefahr laufen könnte, allmählich ihre mühsam etablierte gesellschaftliche Reputation auf einen Schlag und sämtlichst zu verlieren.
So z.B. wenn sie sich anstatt mit ihrem Nachnamen, fortwährend mit "Hier bei CO2-Anlage" am Telefon melden würde, oder auf die Frage nach der begehrten Kuchensorte beim Kaffeekränzchen mit den Freundinnen ein "Ich nehme das Stück mit
CO2-Anlage und Sahne bitte!"

Die Beharrlichkeit sollte hoffentlich von Erfolg gekrönt werden, doch das würde erst das Weihnachtsfest offenbaren. Bis dahin waren die Tage noch zahlreich, und ebenso die Möglichkeiten der Einflussnahme.

Das Fest war da und nun würde es sich zeigen, ob das Prinzip geeignet gewesen war, den Wunsch Realität werden zu lassen.

Er war es.
Die Feier in W. fand zwar ohne Beisein von S. aus H. statt, aber das Ergebnis war auch so ein voller Erfolg. Nicht etwa eine Teil-Subvention oder die obligatorischen 50%, nein, hier musste der alte Mann mit dem langen weißen Bart richtig hart schleppen, denn im letzten überdimensionierten Karton, der vom Gewicht maximal eine Bio-CO2-Anlage der Marke "nasser-Pygmäe" inne haben konnte,
trat ein Umschlag zutage, der die Belohnung beinhaltete.

Nun stand sie da, die CO2-Anlage und konnte nicht genutzt werden.
Er stellte sich heraus, dass ein PH-Controller doch unerlässlich war.
Schönes Wort:

PH-CONTROLLER
PH-CONTROLLER
PH-CONTROLLER
PH-CONTROLLER
PH-CONTROLLER

"Schatz, falls Deine Mutter anruft . . . "



Samstag, 12. Januar 2008

16. As time goes by

Die Tage gehen ins Land und alles verliert an Jugend,
oder der Nimbus des Neuen verblasst ganz einfach zusehends mehr.
Der Verfasser wird diesem Prozess unweigerlich mit unterworfen,
was dieser auch als ausgesprochen unfair empfindet.
Gerne erinnert er sich an die Zeit zurück, in denen Blut aus einer Wunde einfach mal so ungeniert weggewischt wurde, während es heute schon tröpfchenweise auf der Stelle konserviert werden muss, wer weiß was da schließlich noch kommt.
Heutzutage muss man auf alles vorbereitet sein und auch wenn die Eigenblutkonserve eher eine untergeordnete Rolle in der Aquaristik spielt. Vorsorge ist alles.
Das glauben Sie nicht?
Sehen Sie selbst . . .



Wochenende.
Dunkelheit herrschte vor im Haus.
Die Vertrautheit der baulichen Gegebenheiten machte es möglich, dass S. aus H., jetzt in N. wohnhaft, blind den Weg von der Schlafstätte zum Wohnzimmer (da lag seine Brille) ohne Hämatome an Schienbeinen, oder unerwartet auftauchender Gegenstände in Gesichtshöhe mit anschließender farbiger Beweiskraft in selbigem zurücklegen konnte.

Die Anzeige des digitalen Nachtwächters noch vor Augen wurde die Ist- mit der Sollzeit abgestimmt und das gefühlte Defizit einfach ignoriert. Die Augenlider in Schutzhaltung ausgefahren, war der Weg in die Küche zwecks schnellem Kickstarter in Form von flüssigem Koffein ein eigentlich leichtes Unterfangen.
Der Hell-Dunkel-Abgleich wurde parallel durchgeführt, doch das Ergebnis stand dann erst Sekunden später mit Erreichen der Küchentür fest:

FALSE,
Value "0",
ERROR!

Hatte das noch nicht gereicht die Augenlider in höhere Regionen zu bewegen, so sollte jetzt ein Zeigefinger Abhilfe schaffen. Also kurz vor dem Wimpernansatz die Fingerkuppe sanft angedrückt und den Schutzschild überaus vorsichtig gelüftet. Tatsächlich, irgendein Lichtschein drang jetzt an seine Pupille, der da eigentlich nicht hingehörte. Der auf das Gefühl des Misstrauens folgende Hormonschub reichte aus, um auch Augenlid Nummer 2 auf die Standby-Position zurückzufahren.

Status Quo?
Augen offen, Geist benebelt, keine Sehhilfe am Mann und unzweifelhaft ein Mysterium, dem es galt, es gründlich zu erforschen.
Möglicher Besuch war um diese Tageszeit nicht angekündigt, das Outfit sowieso momentan nicht gesellschaftsfähig, was um alles in der Welt ging da also vor sich?

Vorsichtig und in Erwartung einer wie auch immer gearteten Konfrontation öffnete S. aus H. die Tür zum Wohnzimmer, bereit zu allem und jedem, unbewaffnet, aber nicht wehrlos, so wähnte er sich jedenfalls.

Der Raum war leer.
Die Beleuchtung von 576 allerdings in vollem Gange, was um die Uhrzeit programmtechnisch nicht vorgesehen war. Das sich Technik verselbständigen sollte, war ein ganz klarer Fall von Insubordination.
Die Hände in die Hüften gestemmt, mittlerweile sich der Hilfe der Brille bedienend, stand er da in einer, zugegeben, nicht wirklich ernst zu nehmenden Pose und hatte sich vor dem Gesamtkonzept "Becken" aufgebaut. Zwecklos, keine Spur von Reue, geschweige denn Scham, oder Schuld war an 576 erkennbar. Wie auch?
Die Fische zeigten keine Symptome irgendeiner Ermüdung, jedenfalls schienen sie vollmundiges Gähnen erstaunlich gut unterdrücken zu können. Im Gegensatz zu ihm, was seiner Ernsthaftigkeit in dieser Angelegenheit weiteren Schaden zufügte. S. argwöhnte nun mehr sogar, eine sich anbahnende Revolution und die 4x54 Watt waren für ihn eindeutig die Rädelsführer.
Halt mal, hatte da nicht eben ein Fisch gelacht?
Nein, nicht gelaicht, gelacht,
doch, doch, eindeutig, dass was die Schmerlen da veranstalteten sah auch noch so aus, als würden sie ihm die Barteln entgegenstrecken, fast wie freche Kinderzungen. Jetzt war aber wirklich Empörung angesagt.

1 Mann
gegen rund 750 Kilogramm Glas, Stahl, Wasser und respektlosem Getier, eine schlechte Ausgangsposition für S. und das Becken strotzte dabei geradezu vor Selbstsicherheit.
Doch da drang an das Ohr von S. das allmorgendliche Geräusch zweier Türen.
Tür auf, Tür zu, ein paar wenige Schritte und dann wieder Tür auf, Tür zu.
Jetzt wurde die Zeit wurde knapp.
B. aus W., unmissverständlich auch in N. wohnhaft, hatte sich aufgemacht ebenfalls
die häusliche Szenerie zu betreten. Das bedeute allmorgendliche Verantwortung in Sachen Heißgetränke-Zubereitung für ihn. Was nun? High Noon 6 Uhr Morgens im Schlafanzug, der Lächerlichkeit preisgegeben, oder Unschuld heucheln und den Rückzug in die Küche antreten und ihr pünktlich den Kaffee reichen? S. aus H. war sich in diesem Moment der uneingeschränkten Unterstützung von B. nicht mehr ausnahmslos sicher. Aber ohne ihren Beistand standen die Chancen schlecht.
Klare Sache,
Kaffee!

S. zog die Küche einem aussichtslosen Fall verbunden mit Erklärungsnotstand vor.
Mit einem verächtlichen und höhnischen Blick auf die Zeitschaltuhren als eindeutig identifizierte subversive Elemente verließ er den Schauplatz. "Na wartet! Euch kriege ich noch!"

Die spätere Analyse offenbarte, das beim Hantieren mit den Steckdosen
und den darin befindlichen Zeitschaltuhren am Vortag, wohl versehentlich der General-Schalter der Leiste bedient worden sein musste, was die Löschung der Programme zur Folge hatte und somit das Licht die ganze Nacht über hatte brennen lassen. Nicht gerade ein Umstand, der es wert war, ihn B. aus W. näher zu bringen, außer die Sucht nach einer EinFrau-Standpauke über Energiekosten wäre zu übermächtig. Das war sie selbstredend nicht. Nur ein Narr sondergleichen würde sich dieser Gefahr aussetzen, dann schon eher das Becken.

S. aus H. hatte die Nase jetzt endgültig voll.
Automatisches Ein- und ausschalten sah er, in Anbetracht seiner altersbedingten mentalen Verfassung, als unumgänglich an. Da gab es nur bedingungslosen Gehorsam und Pflichterfüllung, bis zum Ende aller Tage, oder einem Schaltjahr. Die Wahl der passenden uhrzeitlichen Stromsteller war seit Beginn ein Problemfall. Die Vertreter der einfachen Variante mit mechanischer Vorwahl standen für S. im krassen Gegensatz zu sonstigen HighTech-Prozeduren, wenn es um Strom und Wasser ging. Er bevorzugte die vollelektronischen digital Chronometer mit möglichst kleinem Gehäuse, da derer oftmals nebeneinander in Mehrfach-Steckdosen die letzte Ruhestätte finden sollten. Die 1. Generation war bereits verschlissen und als unzuverlässig in die Katakomben gewandert, die 2. war wie bezeugt, politisch nicht loyal. S. durchpflügte also auf´s Neue die Weiten des Internets, um endlich eine Variante mit passendem Profil zu verpflichten. War der Preis natürlich vorher durchaus ein Kriterium der Selektion, so war jetzt nur noch der Wunsch nach vollendeter Technik in ihm vorherrschend.
Die Exemplare 9-12 waren geordert und das Spiel begann von vorn. Vier mal An Aus An Aus zu programmieren war schlichter Automatismus und zwischen den Neulingen und ihrer Aufgabe stand nichts mehr im Weg.

S. schwor sich, bei nächster Gelegenheit würde er die aufmüpfigen Sonderlinge 5-8 ohne "Wenn und Aber" einfach ins 2. Glied versetzen und derart degradierter Natur wären dann Kaffeemaschinen, Wasserkocher oder Lichtquellen die neuen Aufgaben, denen sie sich
dann widmen könnten.
Die Drohung war zwar unausgesprochen, der Effekt allerdings war prompt, die Diener versagten ihren Dienst, die Erklärung war simpel.
Die folgende Obduktion ergab menschliches Versagen an technischem Gerät.
S. aus H. hatte schlichtweg die Knopfzellen nicht in der vorgeschriebenen Ausrichtung in den Uhren platziert, was einen Ausfall der Programme bei Stromverlust bedeutete.

Macht nix
So war auf jeden Fall für die nächste Eiszeit zumindest das Kontingent an Zeitschaltuhren in Hülle und Fülle gesichert. Wenn dann auch schon längst kein Strom mehr zum schalten da war, unerheblich, denn er war ja nun ausreichend gewappnet gegen eine Verknappung dieser unerlässlichen Zeitgenossen.

Wer konnte schon 12 Zeitschaltuhren und mehr sein eigen nennen,
auch wenn es längst um existenzielles schlecht gestellt war?

Zufrieden lehnte er sich in seinem Stuhl zurück
und zog genüsslich an seinem Zigarillo.

Luxus?
Nein!
Vorsorge!
Reine Vorsorge.