Samstag, 16. Mai 2009

Mikromorphose und Migration

Vergessen?
Wie könnte ich ausgerechnet Sie und das hier vergessen?
Na gut, Sie vielleicht, aber das hier . . . obwohl, wie war das eigentlich und was genau?

Wie sagte noch dieser . . . verdammt, wie hieß der denn nochmal . . . , ach, ist ja auch egal, also: Home is, where the heart is and fish is, where the tank feels home, oder so ähnlich. Wer erfindet bloß solch verbalen Plattitüden? Und noch viel schlimmer, warum rezitiere ich sie? Muss das Alter sein. Hm, ja, ist bestimmt das Alter.
Es gibt viel und einiges zu berichten, was so in der Zwischenzeit geschehen ist. Und ich muss es aufschreiben, sonst . . . Sie wissen schon, das medizinische Phänomen des Schrumpfhirns setzt gnadenlos ab 40 seinen Siegeszug an und gewinnt den auch in vielen Fällen. So bestimmt auch bei mir . . .

Dies hier ist eine Fortsetzung und es schadet im Allgemeinen nicht, wenn einem wie bei einer durchschnittlichen TV-Serie der bisherige Handlungsstrang nicht im geläufig ist, aber der Grad der Erheiterung ist erheblich größer, wenn die Querverweise auch als solche verstanden werden. So darf ich freundlich auf meine bisherigen Episoden unter "Wie alles begann" verweisen, wer Lust hat natürlich nur. Also dann . . .

S. aus H. nippte an seinem Glas und gönnte sich einen fulminanten Schluck seines morgendlichen Treibstoffs. Die akribisch komponierte Mischung aus löslichem italienischem Cappuccino, einer gehörigen Portion der künstlich in ihrer Frische verlängerten Milch und einem kariösen und nicht von der Krankenkasse gern gesehenem Trio Würfelzucker schmeichelte seinem Wohlbefinden und konsolidierte seine Lebensgeister. Zufrieden blinzelte er in die frühen Sonnenstrahlen des beginnenden Morgens und sog an dem ersten Zigarillo des Tages.
"Ein Jahr ist das schon wieder her?", dachte er so bei sich und blies den Rauch ziellos hinaus in die frische Morgenluft. Ja, tatsächlich, fast auf den Tag genau vor einem Jahr trat 576 seinen Umzug an.
Und er mit ihm.

Das Leben hatte gespielt, mit ihm und anderen und S. aus H. und B. aus W. gingen fortan eigene Wege. Dei aquaristische Habe wurde salomonisch aufgeteilt und der Schneewittchensarg wurde ihm zugesprochen, schließlich war S. ja derjenige, der dieses Monstrum erschaffen und zum Leben erweckt hatte. Seinen Lebensmittelpunkt zu verlagern und sein Hab und Gut von einem Ort zum anderen zu bringen, war mittlerweile eine leichte Disziplin für ihn geworden. Doch dieses Kleinod von Klotz war Grund genug, nicht die erstbeste möblierte Garage, oder sonst einen Geräteschuppen mit Toilette als neues Zuhause für sich zu gewinnen. So hatte es eine Weile gebraucht, bis eine neue Heimstätte gefunden war, die einem Mitvierziger mit tendenziell lückenhaftem Erinnerungsvermögen und einem stoischen Kasten voll Wasser und Fischen hinreichend Unterkunft bieten konnte. Er allein hätte schon einige Male seine 3 Kreuze unter ein entsprechendes Stück Papier kritzeln können und "1-2 Zimmer, Küche, Bad" wären flugs seine gewesen, wenn da nicht . . . ja wenn da nicht einige weitere Ansprüche an die Immobilie zu stellen gewesen wären, die seiner Mitgift Stand halten mussten.
Nur zu gut konnte sich S. aus H. noch an die Gesichter einiger Makler und Vermieter erinnern, wenn er immer nahe dem Schluss der Verhandlungen und fast schon unverschämt nebensächlich die Frage nach dem Baujahr der entsprechenden Mieträume in den kahlen Raum stellte. Fragezeichen können doch auf so unterschiedliche Weise Ausdruck in Gesichtern annehmen, wenn man sich freundlich nach der baulichen Verträglichkeit von einer 3/4 Tonne Stahl, Glas, Wasser und Technik mit der im akuten Interesse stehenden Behausung erkundigt. "Nein", entgegnete er immer wieder stoisch versichernd, "er wollte kein weiteres öffentliches Nichtschwimmerbecken in dieser Gemeinde eröffnen und sah da auch keine Notwendigkeit, noch war er erpicht darauf, dieses ausgerechnet in dieser Wohnung der Allgemeinheit zugänglich zu machen."
Und wenn dann das sich frisch abzeichnende Fragezeichen surrealistische Formen im Gesicht des Gegenübers annahm, sah S. aus H. sich genötigt das Rätsel flugs zu lüften. "Ein Aquarium.", lautete ein ums andere Mal die schlichte Auflösung und zu dem Fragezeichen, das mittlerweile
anscheinend eine eigene Blutversorgung in den Gesichtern der potentiellen Lehnsherren etablierte, gesellten sich seltsam plastisch anmutende Gedankenketten, die förmlich aus den vorderen Schläfenlappen kommend ihre schemenhafte Präsenz auf die Stirn der Befragten modellierten. Spätestens dann, wenn als Einwand auf das nahegelegene Großaquarium "Sea . . . Life . . . Dingsdabumsda" und dessen doch wettbewerblich günstigere und wirtschaftlich so viel besser situierte Konkurrenzsituation verwiesen wurde, wusste S. aus H., das seine Suche doch kein Ende gefunden hatte.
Geläutert ob seiner gehörig abgestraften Offenheit, verlangte die Suche nach einer gänzlich veränderten Taktik. Wieder war ein Objekt in den Fokus seiner Begierde gerückt, doch diesmal war lediglich die Frage nach dem Jahr der Entstehung des Hauses als flüchtiger Einwurf von ihm zu vernehmen gewesen, denn das die Räumlichkeiten exakt seinen Erfordernissen, bzw. denen des Schneewittchensarges entsprachen, darüber deckte S. aus H. den Mantel des Schweigens. Der Vertrag wurde gemacht, die kleine, aber feine Kemenate war nun seine. Auf zu neuen Ufern.

S. aus H. durchflog im Geiste all die Geschehnisse, die zu seiner neuen "Situation" geführt hatten, nippte ein weiteres Mal an seinem an Hitze verlierendem Getränk und sog einen erneuten Zug des blauen und von Laster getränktem Tabakstäbchens. Nacheinander versteht sich, gleichzeitig ist das nur unter wissentlicher Inkaufnahme von erheblichen Blessuren möglich und ist zumeist Anlass zur spontanen schadenfrohen Erheiterung anderer, oder deren bodenlosem Unverständnis und schien S. im Moment nicht angebracht.

Wie geht es weiter?
Was passiert mit S. aus H.?
Wird 576 zu neuem Leben erwachen?

Dies und mehr demnächst hier. ;-)